Kooperationsverweigerung, Geschwisterkonflikte, Trockenwerden, Lügen, Ängste, Aggressionen und Kraftausdrücke. All das kennen mehr oder weniger alle Eltern. Fragst auch du dich, wie du auf eine spielerische, liebevolle und humorvolle Art und Weise diese und andere Konflikte lösen kannst? Dann lies im Beitrag, wie dir Bindungsspiele dabei behilflich sein können, damit auch bei euch wieder mehr Harmonie ins Familienleben einkehren darf.
Inhaltsverzeichnis
- Bindungsspiele – Konflikte spielerisch lösen
- Herkunft der Bindungsspiele
- Meine persönliche Erfahrung damit
- Die 9 Formen der Bindungsspiele
- 1. Nicht-direktive, kindzentrierte Spiele
- 2. Symbolspiele mit problembezogenen Requisiten oder Themen
- 3. Kontingenzspiele
- 4. Nonsensspiele
- Dauerstillen oder auch Clusterfeeding
- 5. Trennungsspiele
- 6. Machtumkehrspiele
- 7. Regressionsspiele
- Zusammenfassung von Katharina Saalfranks Vortrag vom 19.10.2017
- 8. Aktivitäten mit Körperkontakt
- 9. Kooperative Spiele und Aktivitäten
- Was du möglichst vermeiden solltest
Bindungsspiele – Konflikte spielerisch lösen
Elternschaft muss nicht immer nervig, anstrengend und energieraubend sein. Nein, ganz im Gegenteil, sie kann mitunter die schönste Zeit in unserem Leben sein, mit Lachen, toben und in tiefer (Ver-)Bindung mit unseren Kindern. Und dies ermöglichen unter anderem Bindungsspiele.
Sie helfen Stress abzubauen, Verhaltensprobleme zu minimieren, die Bindung zum Kind zu stärken und dadurch die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen – für ein harmonisches Miteinander. Und das Gute daran ist, du kannst sie immer und überall mit deinem Kind, im Alter von 0 bis 12 Jahren spielen. Du brauchst dafür nur ein paar Utensilien, die meist schon vorhanden sind sowie eine emotional sichere Umgebung für dein Kind.
Herkunft der Bindungsspiele
Die im Beitrag vorgestellten Bindungsspiele gehen zurück auf die schweizerisch-amerikanische Entwicklungspsychologin Aletha Solter. In ihrem Buch “Spielen schafft Nähe – Nähe löst Konflikte” stellt sie ausführlich alle Bindungsspiele vor, die sie in den letzten 25 Jahren entwickelt hat und stützt sich dabei auf die Bindungsforschung des Psychoanalytikers John Bowlby. Er prägte den Begriff “Bindung” – die soziale und feinfühlige Interaktion zwischen Eltern und ihrem Kind von Geburt an. Was Bindung ist und wie du sie stärken kannst, habe ich im Beitrag „Was ist Bindung“ beschrieben.
Ist diese einfühlsame und positive Beziehung nicht gegeben, kann es zu einer Bandbreite an Verhaltenaufälligkeiten und emotionalen Problemen führen. Bindungsspiele ermöglichen deinem Kind durch Lachen Stress abzubauen, der durch Trennung, Krankheiten, Ängste oder andere Ereignisse entstanden ist.
Vorteilhaft wäre es, wenn du es schaffst, jeden Tag 30 Minuten mit deinem Kind in ungeteilter Aufmerksamkeit zu spielen. Aber auch ein bis zwei Spielsitzungen in der Woche sind ausreichend, um die Bindung zu stärken und Konflikte zu lösen.
Meine persönliche Erfahrung damit
Auch ich konnte bereits die positiven Auswirkungen von Bindungsspielen mit meinem älteren Sohn wahrnehmen. Nach der Geburt seines Bruders war er aggressiv und wütend, verständlich, ist so eine Entthronung immer mit viel Stress und unangenehmen Gefühlen verbunden. Besonders gut haben uns die Machtumkehrspiele geholfen, aber auch Regressionsspiele sind bei der Entthronung durch ein Geschwisterkind sehr hilfreich. Probiert es einfach aus und macht eure eigenen Erfahrungen damit. Ihr werdet überrascht sein!
Die 9 Formen der Bindungsspiele
1. Nicht-direktive, kindzentrierte Spiele
Bei den nicht-direktiven, kindzentrierten Spielen geht es darum, sich so wenig wie möglich in das Spiel des Kindes einzumischen und dem Kind die Führung zu überlassen. Du stellst Utensilien, wie Handpuppen, Figuren, Bauklötze, Plüschtiere zur Verfügung und beobachtest einfach nur, was es damit spielt, ohne zu bewerten. Du spielst nur mit, wenn du direkt dazu aufgefordert wirst.
Diese Spiele sind hilfreich beim Sauberkeitstraining, bei Aufarbeitung traumatischer Ereignisse, wie Naturkatastrophen oder Gewalt-erfahrungen, bei der Entthronung durch ein Geschwisterkind, bei Aggressionen, Geschwisterrivalitäten und zur allgemeinen Bindungsstärkung.
Sie helfen, dass sich dein Kind gewertschätzt, sicher und geliebt fühlt und die Bindung nach einem stress- oder trennungsbedingten Ereignis wieder hergestellt werden kann. Weiterhin tragen sie dazu bei, dass dein Kind nach autoritären Erziehungsmaßnahmen oder häuslicher Gewalt wieder in ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit zurückfinden kann. Sollte dir das Spielen im Allgemeinen schwer fallen, dann stelle dir einen Wecker und versuche das Spiel nach Ablaufen dieser Zeit vorsichtig ausschleichen zu lassen.
2. Symbolspiele mit problembezogenen Requisiten oder Themen
Anders als bei den nicht-direktiven, kindzentrierten Spielen übernimmst du hier mehr die Führung und bringst Spielthemen ein, die dein Kind belasten.
Symbolspiele haben sich auch bei Ängsten vor Hunden bewährt. Hier kannst du deinem Kind helfen, indem du selbst einen Hund spielst, bellst und es so zum Lachen bringst. Oder dein Kind spielt den Hund oder nimmt einen Plüschhund und du tust so als hättest du Angst davor und rennst weg. Du siehst es gibt mehrere Möglichkeiten Ängste abzubauen und Gelächter hervorzurufen.
Symbolspiele helfen durch Lachen, den Stress abzubauen, der sich durch ein traumatisches Ereignis aufgebaut hat. Mit Hilfe von problembezogenen Requisiten hast du die Möglichkeit, deinem Kind über diese traumatische Erfahrung hinweg zu helfen. Das führt dazu, dass sich dein Kind beim nächsten Auftreten der traumatischen Situation nicht mehr so panisch verhält.
Mit Symbolspielen kannst du das Verhalten deines Kindes positiv beeinflussen. Bewährt haben sie sich bei Töpfchentraining, Geschwisterrivalitäten, Mogeln und Lügen sowie bei mangelnder Kooperationsbereitschaft oder bestimmten Ängsten (vor Hunden, Ärzten, Kindergarten).
3. Kontingenzspiele
Kontingenzspiele zeichnen sich durch ein absehbares, zuverlässig wiederholendes Verhalten des Erwachsenen gegenüber dem des Kind aus.
Hierzu zählt beispielsweise der Huckepackritt, wo du dein Kind auf den Rücken nimmst und es nur durch antippen der rechten oder linken Schulter anzeigt, in welche Richtung du nun gehen sollst.
Dadurch förderst du das Vertrauen deines Kindes und gibst ihm ein starkes Machtgefühl, welches Sicherheit und Vorhersehbarkeit schenkt. Das dadurch entstehende Lachen hilft, innere Anspannungen durch ein Gefühl von Machtlosigkeit in früher erlebten Erfahrungen zu mindern.
Kontingenzspiele helfen bei mangelnder Kooperationsbereitschaft, bei Verhaltensproblemen aufgrund der Scheidung der Eltern und bei der Förderung der Heilung durch Naturkatastrophen oder andere traumatische Ereignisse.
4. Nonsensspiele
Quatsch machen? Au ja! Eines meiner Lieblingsbindungsspiele ist das Nonsensspiel, denn dabei geht es darum, ein bewusst absonderlich, lächerliches Verhalten an den Tag zu legen. Und wenn wir genau darauf achten, dann stellen wir fest, dass unsere Kinder oft Nonsensspiele anregen, wenn sie sich beispielsweise die Hose anstatt über die Füße über den Kopf ziehen.
Diese Spiele eignen sich besonders gut, wenn wir unserem Kind sofortige Grenzen setzen müssen und zum Beispiel nach dem “Aus”-Knopf des Kindes suchen und ihn aber natürlich nicht finden oder er defekt ist.
Weiterhin haben sie sich bei der Sauberkeitserziehung, beim Gebrauch von Schimpfwörtern, bei aggressivem Verhalten, bei Geschwisterkonflikten, Anziehproblemen, beim Lügen und Mogeln, bei bestimmten Ängsten und zur Erleichterung der Hausaufgaben bewährt.
Das daraus resultierende Lachen lockert innere Anspannung und erlaubt unseren Kindern aufgestaute Wut oder Frustration ihren Raum zu geben.
5. Trennungsspiele
Zu den bekannten Trennungsspielen gehört wohl das Guck-guck-Spiel, welches auch schon von Säuglingen gespielt wird und das Verstecke-Spiel bei den etwas größeren Kindern. Wer kennt sie nicht?
Beide Spiele schaffen eine kurze visuelle oder räumliche Distanz zwischen dem Kind und dir und sorgt für Gelächter, bei der körperlichen oder visuellen Wiedervereinigung, was beim Abbau innerer Anspannungen hilft, die durch Trennung entstanden ist.
Auch das Fangespiel, welches du mit dem Verstecke-Spiel kombinieren kannst, gehört zu den Trennungsspielen. Alle drei Spiele helfen deinem Kind mit den alltäglichen Trennungsereignissen durch Krippe, Kita und Schule umzugehen, sowie bei der Überwindung früher erlebter Trennungs- und Verlustsituationen. Dazu gehören auch Geburtstrauma, wenn das Neugeborene gleich nach der Geburt nicht zur Mutter kann, sowie die Scheidung der Eltern. Weiterhin können sie auch Ängste abbauen, die auf imaginären Trennungs- oder Verlustsituationen beruhen, wenn das Kind beispielsweise etwas von einer Entführung gehört hat.
6. Machtumkehrspiele
Machtumkehrspiele schließen Tätigkeiten ein, in denen du dich als Elternteil spielerisch schwach, ängstlich, dusselig, tollpatschig, ängstlich oder wütend gibst.
Wichtig dabei ist es, dass du deine Rolle sehr authentisch spielst und dich bei einer wilden Kissenschlacht ganz theatralisch zu Boden fallen lässt oder ängstlich vor einem Spieldinosaurier in der Hand deines Kindes wegrennst. Wie auch bei den Kontingenzspielen helfen Machtumkehrspiele dabei, ein Gefühl von Hilf- oder Machtlosigkeit abzumildern, indem dein Kind die “Oberhand” bekommt und sich stärker, klüger oder mutiger fühlt als du. Machtumkehrspiele haben sich bei einer zu strengen Erziehung oder auch bei Misshandlungen bewährt.
Das Lachen dient auch hier wieder zum Abbau von angestauter Frustration und Wut. Und auch hier dürfen wir wieder darauf achten, wann unser Kind von sich aus ein Machtumkehrspiel anstößt.
7. Regressionsspiele
Als Regressionsverhalten verstehen wir das Zurückfallen auf frühere Stufen der geistigen Entwicklung. Dein Kind fällt in ein babyhaftes Verhalten zurück und möchte betuddelt und umsorgt werden. Dem dürfen wir mit ruhigem Gewissen nachgehen, denn unser Kind wird sich nicht immer wie ein Baby verhalten.
Es ermöglicht unserem Kind, erste Schritte in die Unabhängigkeit zu gehen, wenn es soweit ist und kann sich mit Hilfe unserer Feinfühligkeit geliebt und geborgen fühlen. Bei diesen Spielen muss dein Kind nicht unbedingt lachen, es erfährt auch so Heilung.
Regressionsspiele dienen dem Kind, Ereignisse, wie die Geburt eines Geschwisterchens, Misshandlung, Vernachlässigung oder Trennungen zu verarbeiten.
8. Aktivitäten mit Körperkontakt
Berührungen tun uns allen gut, denn sie sind unabdingbar für eine optimale physische und emotionale Entwicklung. Das spüren auch unsere Kinder und inszenieren nicht selten Spiele, bei denen Körperkontakt im Vordergrund steht, wie Toben, Raufen oder Klatschspiele.
Eines unserer Spiele mit Körperkontakt läuft folgendermaßen ab: meine zwei Jungs stehen auf unserem großen Familienbett hinten an der Wand, ich stehe am anderen Ende des Bettes unten auf den Fußboden. Dann rennen sie auch mich zu und ich fange sie auf, manchmal tanze ich noch kurz mit ihnen auf dem Arm und dann werfe ich sie zurück auf das Bett. Das genießen sie sehr.
Auch gehören alle möglichen Kreis- und Klatschspiele, Huckepack oder der Knieritt dazu.
Diese Spiele helfen den Kindern ein Gefühl der Wertschätzung, Sicherheit und Zugehörigkeit zu bekommen. Weiterhin stärkt es ihr eigenes Körpergefühl, weil sie spüren, dass wir gerne mit ihnen kuscheln. Berührungen sind bei uns von Geburt bis zum Tod ein essentielles Bedürfnis. Auch suchen Kinder körperliche Zuwendung, wenn sie müde, verängstigt, frustriert oder verletzt sind.
9. Kooperative Spiele und Aktivitäten
Diese nicht wettbewerbsorientierten Spiele stärken den Zusammenhalt, auch und vor allem unter Geschwistern.
Wie ich oben bereits erwähnt hatte, ging es unserem großen Sohn nach der Geburt seines Bruders nicht so gut. Jetzt wo der “Kleine” schon größer ist haben sie ein eigenes kooperatives Spiel entdeckt, welches ihre Teambildung stärkt. Und das geht so:
Ich liege auf dem Bett und einer der beiden Jungs versucht mich vom Bett zu schieben (Machtumkehrspiel). Er schafft es aber nicht und bittet seinen Bruder ihm zu helfen und schwuppdiwupp lieg ich auf dem Fußboden 😉
Auch kompetitive (wettbewerbsorientierte) Spiele lassen sich zu kooperativen Spielen abwandeln, sodass es keine Verlierer gibt, denn alle haben die Aufgabe ein gemeinsames Ziel zusammen zu erreichen. So könnte man beispielsweise beim Sackhüpfen zwei Säcke aneinander binden und die Aufgabe besteht nun darin gemeinsam ins Ziel zu hüpfen und sich gegenseitig anzufeuern und zu helfen, wenn der eine umgekippt ist. Zu den kooperativen Aktivitäten könnte man auch das Backen und Kochen hinzuzählen. Das Ziel ist es, etwas köstliches am Ende auf dem Teller zu haben.
Diese Spiele lässt in deinem Kind ein Gefühl von Verbundenheit und Wertschätzung aufkommen und sie sind besonders dann zu empfehlen, wenn dein Kind mogelt, wenig Kooperationsbereitschaft oder auffälliges Verhalten aufgrund von Scheidung oder Geschwisterkonflikten zeigt.
Was du möglichst vermeiden solltest
Achte darauf:
- dass sich dein Kind von dir nicht ausgelacht oder gehänselt fühlt
- dass sich dein Kind wohl fühlt. Wenn es weint, dann beende das Spiel und nimm es in den Arm, damit es seinen Tränen freien Lauf lassen kann, danach wird es ihm besser gehen
- dein Kind nicht auszukitzeln, denn dann bekommt es das Gefühl der Machtlosigkeit
- bei schwerwiegenden traumatischen Erfahrungen deines Kindes professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen
- flexibel und offen zu bleiben
- dein Kind während des Spiels weder zu belehren oder zu korrigieren
Welche Bindungsspiele spielst du am Liebsten mit deinem Kind? Erzähle mir gern davon in den Kommentaren.
Zum Vertiefen des Themas und für noch mehr Infos, Inspirationen und Beispiele, möchte ich dir das Buch von Aletha Solter mit vielen weiteren Praxisbeispielen wärmstens ans Herz legen.
Nette Anregungen!
Ich verstehe allerdings nicht ganz, warum du generell gegen auskitzeln bist.
Ich denke das hängt vom Kind ab. Ich habe es geliebt wenn meine Mutter ich durchkitzelt und kenne Kinder, die es lieben ausgiebig gekitzelt zu werden.
Wichtig ist, dass ich zwischendrin immer wieder Momente zur Erholung lasse – und wenn sie dann nichts dagegen sagen oder sich abwenden, sondern mich verschmitzt angrinsen, dann war es wohl noch nicht genug 😉
Hi Janek,
mittlerweile denke ich da auch anders drüber. Mag sein, dass ich es als Kind absolut nicht ausstehen konnte, und weil ich aber lachen musste, der Kitzelnde wohl interpretierte, dass ich es lustig finde. Das war ein ätzendes Gefühl.
Aber bei meinem Sohn stelle ich fest, dass er davon nicht genug kriegen kann, er liebt es total. Ich kann das leider absolut nicht nachvollziehen und hasse es heute noch wie die Pest. Wir sind halt alle verschieden 😉
Liebe Grüße
Julia