Momentan prasselt so viel auf mich ein, dass mir alles zu viel wird. Es scheint mich alles aus der Bahn zu werfen.
Inmitten dieses ganzen Chaos‘ fiel mir auf, wie schwer es den Leuten fällt, auf mich zuzugehen, „richtig“ mit mir zu reden, mich zu verstehen, vielleicht sogar ein paar tröstende Worte zu finden.
Deshalb gibt es heute einen Beitrag, wie du jemanden richtig trösten und ihr/ihm zur Seite stehen kannst, was du tun oder sagen könntest, und vor allem, was du unterlassen solltest.
Inhaltsverzeichnis
Tröstende Worte
Babys, mitunter auch noch Kleinkinder, sind recht einfach zu trösten, wenn sie sich verletzt haben oder aus irgendeinem anderen Grund traurig sind. Sie brauchen dann ganz viel Nähe, der Liebestank muss wieder aufgefüllt werden, wie es so schön heißt. Stillen, kuscheln, streicheln, umarmen, im Arm wiegen, tragen, schunkeln, gut zureden „Ich bin da.“, vielleicht ein beruhigendes Lied singen – alles ganz wunderbare Methoden, damit sich ein Baby bzw. Kind wieder beruhigt.
Werden wir älter, bedarf es da schon mehr, als jemanden, der uns mal ganz fest in den Arm nimmt, damit alles wieder gut ist. Wir wollen auch verstanden und gesehen werden. Und das ist, wie ich zu meinem Bedauern feststellen musste, ziemlich selten zu finden.
Das wird mir alles zu viel
Erst vor Kurzem hatte ich einen Unfall. Bin ohnmächtig geworden und knallte mit dem Gesicht auf den Boden. Der ganze Weg vom Notruf bis zur Entlassung im Krankenhaus hat in mir tiefe Spuren hinterlassen.
Dann kam der Punkt, an dem ich begriff, dass ich meinen Zahn, vielleicht sogar noch mehr Zähne aufgrund des Traumas verlieren würde. Mir wurde mein Verlust jetzt erst so richtig bewusst und ich fing manchmal aus heiterem Himmel zu weinen an.
Ich merkte, dass mich in dieser Zeit kaum jemand gesehen und verstanden hat. Enttäuschung und das Gefühl von Einsamkeit machten sich breit.
Als wäre dieser Umstand noch nicht genug, hab ich’s jetzt wohl auch noch mit der Bandscheibe zu tun. Neben den seelischen Schmerzen kommen jetzt auch noch körperliche hinzu und ich sage mir: Das wird mir alles zu viel!
Ich wache auf und hoffe, es war alles nur ein Albtraum. Ein richtig beschissener Albtraum, der mir eine Höllenangst gemacht hat. Der jetzt aber zum Glück vorbei ist. Der mir sagt, dass ich das alles nur geträumt habe. Dass alles gut ist. Doch dann muss ich mir eingestehen: Das war kein Traum. Das ist Realität.
Und all die tröstenden Worte, die ich höre, die sind alle so falsch. Worte wie
- „Zum Glück ist dir nichts Schlimmeres passiert.“
- „Sei nicht traurig.“
- „Das wird wieder.“
- „Jetzt kannst du traurig sein. Später wirst du drüber lachen.“
- „Du schaffst das. Du bist stark. Du bist so tapfer.“
- „Man kann den Kostenvoranschlag bei (…) einreichen, dann machen dir die Ärzte ein Angebot.“
- „Du bist mega taff. ne harte Huss. n zähes Gemüse. Ich bin mega beeindruckt, wie du (…).“
- „Du wirst die bestmögliche Behandlung bekommen, damit du dich wieder wohl fühlst.“
Obwohl sich einige Sätze für dich vielleicht aufbauend und tröstend anhören, waren sie in meinen Augen völlig fehl am Platz. Woran lag das?
Nicht verstanden
Es ist, als würde niemand meinen Schmerz sehen. Als würde das, was mir passiert ist, sogar heruntergespielt werden. „Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert.“ hört sich für mich so an, als sei das, was geschehen ist, für andere nicht so wild gewesen.
Mir kommt es vor, als würde jede/r versuchen, nur schnell alles in Ordnung bringen zu wollen, in der Hoffnung, dass dann alles wieder wie vorher ist. Schnell vergessen, Blick nach vorn, an die Zukunft denken und einfach weitermachen wie bisher. Als würden sie ein Pflaster über eine Wunde kleben wollen, damit alles wieder normal sein kann. Aber so funktioniert das nicht, wenn man trauert.
Denn da sind zwei Wunden. Die eine ist jetzt vom Pflaster bedeckt und kaschiert. Und die andere hat man gar nicht erst zu Gesicht bekommen, denn die blutet still und leise vor sich hin, ohne dass sie jemals genauer angesehen wurde.
Die unsichtbare Wunde
Die Wunde reißt auf, als ich aufwache und überall dieses Blut auf dem Boden sehe, mein Kind nach mir ruft, ich in meiner Verwirrtheit funktionieren und organisieren muss, den Notruf wähle, Sachen packe und mein Kind mitnehme, um auf den Krankenwagen zu warten.
Sie scheint gestillt zu werden, als mein Mann nach Hause kommt und der Notarzt eintrifft, doch als mir die Sanitäter sagen, dass meine Zähne abgebrochen sind, meine Nase evtl. auch noch gebrochen ist, ich eine Halskrause umgelegt bekomme, weil sie nicht wissen, ob ein Halswirbel verletzt ist, da reißt sie weiter auf.
Die Wunde schmerzt, als ich im Krankenhaus wie ein Paket abgeliefert werde, es mir unendlich schlecht geht und alle an mir vorbeilaufen und ich einfach warten muss, bis sich jemand um mich kümmert. Ich fühle mich unwichtig, wertlos, wie eine Nummer, ohne Identität, ohne jemanden an meiner Seite, der mich lieb hat. Allein gelassen,
Mir fällt auf, dass es kaum Zeit für ein intensives Gespräch gibt, wie es mir geht, wie ich mich fühle. Einstudiertes Mitgefühl, übergriffiges Verhalten und Überforderung scheinen hier dagegen zum Alltag zu gehören.
Dann stehen weitere Untersuchungen an, weil es mir immer schlechter geht. Gehirnerschütterung? Oder noch schlimmer? Ich hab Angst, dass mein Gesicht mein geringstes Problem ist.
Die Patienten drumherum nörgeln und sabotieren ihre eigenen Untersuchungen, das Personal ist genervt, weil sie jetzt die bereits erledigten Aufgaben wiederholen müssen. Noch weniger Zeit für andere Dinge, z.B. den anderen Patient*innen das mehrmals erbetene Wasser oder Telefon zu holen. Piepende Apparate, grelles Licht, klingelnde Telefone, Menschen unterhalten sich über belanglosen Scheiß, der in mir einen unbändigen Brechreiz hervorruft.
Dieses ganze System, dass die Arbeit der Rettungssanitäter nur bis zum Krankenhaus geht und dort endet, das Personal halslos überfordert und gestresst ist, Patient*innen mitunter den ganzen Tag auf jemanden warten, die/der sich ihrer annimmt, immer mehr Notfälle reinkommen, aber nicht mehr Hilfe, all diese Not überall, ich werde schier wahnsinnig.
Und dann darf ich endlich nach Hause. Schnell wird mir das Pflaster vom Zugang von der Haut abgerissen mit irgendeinem „Hab dich nicht so“-Spruch. Bloß schnell weg hier.
Die unbehandelte, unsichtbare Wunde
Bei den nachbehandelnden Ärzt*innen wird die Wunde aber einfach nicht besser, niemand kümmert sich um sie. Alle sagen, wie tapfer und mutig und stark ich doch sei, wie gut ich das mache. Dass alles gut sei. Sie betrauern meinen Verlust, aber nicht so, wie ich es brauche. In der Familie versuchen es einige mit Witzen, das geht total nach hinten los.
Allmählich denke ich selber, dass es nicht so schlimm war. Die Schiene, die ich übergangsweise tragen soll, fällt nicht auf. Es sieht tatsächlich so aus, als sei nie etwas passiert. Alles schön kaschiert.
Doch dann nehme ich das Teil ab, um es zu säubern, und sehe ES. Ich höre ES. Ich geh mit meinen Rückenschmerzen zum Arzt und er nimmt mir meine Hoffnung, dass es nur harmlose Rückenschmerzen sind, die man mit etwas Tapen wieder in den Griff bekommt. Und dann wird mir mit einem Mal klar, dass nichts „wieder wird“. ’n Scheiß wird wieder!
Wie du richtig trösten kannst
Genau an dieser Stelle wirst du wahrscheinlich erkennen, warum es so schwer ist, die richtigen Worte zu finden, um jemanden zu trösten. Weil die Wunde tiefer ist, als sie erscheint. Weil es der/dem Betroffenen um etwas ganz anderes geht, als du vielleicht denkst. Weil viele einfach selber nicht wissen, wie man jemanden richtig tröstet, weil sie selber nie richtig getröstet wurden. Weil manchmal einfach zu viel auf einen einprasselt, womit man nicht klarkommt. Man ist schlichtweg überfordert und weiß nicht, wie man mit diesem ganzen Ballast zurechtkommen soll.
Hier also ein paar Tipps, was du beim Trösten tun bzw. nicht tun solltest:
Zeig Verständnis, nimm sie/ihn ernst
Egal, ob es sich um einen Unfall, einen Streit, eine Trennung oder die Verarbeitung eines Verlustes handelt, ein Kind hingefallen oder „nur“ traurig ist, weil die Sonne untergegangen ist oder was auch immer: Du solltest die Person mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen immer ernst nehmen.
Egal, um was es sich handelt und egal, ob es von außen nicht so schlimm aussieht, denk an die unsichtbare Wunde. Für andere ist es sehr wohl tragisch, und das sollte unbedingt ernst genommen werden. Folgendes solltest du auf jeden Fall vermeiden:
- Aufmunterungsversuche, wie z.B. kitzeln oder Witze machen
- Ablenkungen jeglicher Art, wie die o.g. Aufmunterungsversuche, aber auch Kinobesuche, einen saufen gehen oder Party machen wollen usw.
- Motivationssprüche, wie „Sei stark.“, „Du schaffst das.“, „Du muss jetzt tapfer sein.“
- Von sich selber erzählen, wie „Ich weiß, wie du dich fühlst, bei mir war das so: (…).“
- Trivialisierungen, wie „Zum Glück ist dir nichts Schlimmeres passiert.“, „Besser als…“
- Floskeln, wie „Die Zeit heilt alle Wunden.“, „Alles wird gut.“, „Später wirst Du dankbar sein.“, „Das wird wieder.“
- Tipps und Ratschläge jeglicher Art, außer, es wurde ausdrücklich darum gebeten
- Verurteilungen, Beschuldigungen, wie „Was musstest du auch…?“, „Ich hab’s dir ja gleich gesagt, aber du…“
Ziemlich viel, was man lieber lassen sollte, aber alles hat einen Grund. Absolute Priorität ist, dass sich die/der Trauernde verletzbar zeigen darf.
Es geht nicht darum, stark oder tapfer zu sein oder optimistisch in die Zukunft zu blicken, sondern darum, sich fallen lassen zu können und aufgefangen zu werden. Es geht darum, den Schmerz voll und ganz zuzulassen und von seinen Mitmenschen gesehen und gehört zu werden. Sämtliche o.g. Versuche lenken bloß vom eigentlichen Problem ab, man verdeckt es einfach, statt es sich näher anzusehen, was zu noch mehr (inneren) Verletzungen führt, weil man sich einfach nicht gesehen fühlt.
Wenn du dir nicht sicher bist, ob jetzt ein Ratschlag gut käme, dann stell dir einfach vor, dass du die- bzw. derjenige bist, die/der gerade total frustriert ist. Was würde dir helfen? Was bräuchtest du? Was würde dir überhaupt nicht helfen? Wenn du dir diese Fragen stellst, wirst du schnell herausfinden, ob ein Tipp in dieser Situation wirklich hilfreich oder eher schädlich wäre.
Sei ehrlich
Es ist gar nicht so selten, dass die Leute lieber einen Bogen um trauernde Menschen machen. Sie wollen ihnen eigentlich Raum und Zeit geben, wollen sie nicht bedrängen. Sie reden mit allen anderen über den Vorfall, nur nicht mit den Menschen, denen es passiert ist. Sie sind unsicher, was der Person gut täte, also lassen sie es lieber ganz, um bloß nichts falsch zu machen. Doch gerade dieser Weg ist oft der verletzendste.
Ich für meinen Teil fand dieses Verhalten zumindest verletzend. Statt mit mir zu reden, war mein Mann ständig am Telefonieren und Schreiben und Erzählen, wie es mir geht, was jetzt ansteht usw.
Mit einigen aus meiner Familie wollte ich tatsächlich nicht sprechen, das sagte ich auch so, aber ich wollte nicht, dass mich die anderen wie eine zerbrechliche Puppe behandeln und mit mir nur noch über einen Dritten kommunizieren. Besser wäre es gewesen, ehrlich und klar mit mir zu reden, was ich brauche.
Wenn du also unsicher bist, was du jetzt für die Person tun kannst, dann sei doch lieber ehrlich und red mit ihr darüber, statt dein Gedankenkarussell anzuschmeißen und dir auszumalen, was sie wohl angeblich möchte bzw. nicht möchte, so vermeidest du Missverständnisse.
Bleib im Jetzt
Manche trösten gern darüber hinweg, dass es ja bald besser wird, dass es dann alles wieder gut sein wird, dass man vielleicht sogar irgendwann mal drüber lachen kann.
Mir persönlich bringen solche Worte nichts, so lieb sie gemeint sein mögen. Denn ich brauche JETZT jemandem, der sich mit mir befasst und für mich da ist. Ich will mich nicht mit der Zukunft beschäftigen, denn ich komme ja nicht mal mit der Gegenwart klar!
Vielleicht werde ich wirklich mal drüber lachen können, keine Ahnung, weiß ich nicht, ist ja jetzt noch nicht eingetroffen. Aber jetzt, in diesem Moment, bin ich unendlich traurig und will trauern dürfen, will wissen, dass da jemand ist, der mich noch liebt und mich versteht und für mich da ist.
Statt also von der Zukunft zu reden und Optimismus zu zeigen, kümmer dich doch erstmal um die Gegenwart.
Aktives Zuhören
Alles schön und gut, was man nicht tun soll, aber wie kann man denn „richtig“ trösten und jemanden begleiten? Gibt es das überhaupt: Richtig trösten? In meinen Augen, ja, und zwar mithilfe des aktiven Zuhörens, eine wirklich wunderbare und einfache Methode, damit sich dein Gegenüber verstanden fühlt.
Im Grunde genommen geht es beim aktiven Zuhören darum, seine Aufmerksamkeit voll und ganz der/m Gesprächspartner*in zu widmen, das Gesprochene wiederzugeben oder kurz zusammenzufassen, sowohl durch verbale als auch nonverbale Techniken.
Lass dich von nichts ablenken, nimm dir Zeit für ein intensives Gespräch, schau nicht aus dem Fenster, auf die Uhr, das Telefon oder womit du dich gerade beschäftigt hast, halte stattdessen Augenkontakt. Zeige, dass du verstehst und zuhörst, indem du nickst, kurze Äußerungen von dir gibst, aber nicht unterbrichst (wie z.B. „Ich verstehe.“ usw.), wiederhole das Gesagte, spiegele die Gefühle, frage nach, fasse kurz zusammen, lass auch gern mal längere Pausen zu.
Ein Beispiel für aktives Zuhören kannst du dir gern im unteren YouTube Video ansehen. Ich finde, mit Videos kann man das aktive Zuhören besser erklären als mit bloßen Worten.
GFK – gewaltfreie Kommunikation
Eine weitere Methode, die allerdings sehr viel Übung erfordert und außerdem voraussetzt, dass du selber mit dir empathisch umgehst, bevor du jemanden Empathie entgegenbringen kannst, ist GFK, die gewaltfreie Kommunikation, die mich wie kein anderes Thema so fasziniert und mir so viel gegeben hat. Ich liebe GFK!
Da GFK jedoch ein sehr umfangreiches Thema ist, möchte ich es gern in einem gesonderten Beitrag erörtern. So viel kann ich dir aber schon verraten: Bei der GFK geht es darum, sich mit jemandem empathisch zu verbinden, um herauszufinden, welche Gefühle und Bedürfnisse sich in der- bzw. demjenigen gemeldet haben, als ein bestimmtes Ereignis eintraf, das als Auslöser identifiziert werden kann.
Mit GFK schaut man also ganz genau hinter einen Auslöser, um herauszufinden, was da in einem Menschen gerade lebendig war.
Wenn du mehr über GFK erfahren willst, dann kann ich dir das Hörbuch „Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens – erweiterte Neuausgabe„* von Marshall B. Rosenberg empfehlen, allerdings lege ich dir nahe, auf jeden Fall auch mal einen Kurs mitzumachen, ich zumindest verinnerliche Inhalte auf diese Art und Weise besser und präge sie mir leichter ein.
- Marshall B. Rosenberg (Autor) - Markus Hoffmann, Joachim Schönfeld, Ulrike Hübschmann (Sprecher)
Ansonsten kann ich dir auch aus vollem Herzen die GFK Übungsgruppe empfehlen, in die ich persönlich sehr, sehr gern gehe, da konnte ich schon viel lernen, viel mitnehmen, mir wurde in dieser Gruppe wie in keiner anderen so viel gegeben, es ist wirklich eine absolute Herzensempfehlung von mir an dich, wenn du GFK üben möchtest, egal, ob du jemanden begleiten oder selber begleitet werden willst.
Sei da und halte es aus
Selbst, wenn es dir nicht gelingen sollte, die richtigen Worte zu finden, dann sei einfach ehrlich. So erging es auch meinem Mann. Alles, was er sagte, war falsch oder brachte mich nur noch mehr zum Weinen.
Irgendwann meinte er dann:“Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, damit ich dich trösten kann. Ich bin für dich da.“
Und das war es. Da war einfach jemand, der sagt: „Ich bin mir unsicher, was ich sagen soll. Ich weiß nicht weiter. Aber ich bin da.“. Kein Blabla, keine Floskeln, kein Zukunftsgelaber oder sonstwas. Einfach authentisch und mit der Botschaft: Was du auch brauchst, ich bin für dich da. Ich weiß zwar grad selber nicht, wie ich helfen kann, aber wir stehen das gemeinsam durch. Du bist nicht allein.
Viel konnte mein Mann während dieser Trauerphase nicht machen. Ich musste so viel weinen, dachte, es sei vorüber, und brach dann wieder in einen heftigen Heulkrampf aus.
Doch mein Mann ging nicht weg, blieb da, hielt mich, schwieg und hielt es einfach aus. Zwischendurch war mir das sogar etwas lästig, dann brauchte ich eine kurze Pause, aber im Nachhinein war es genau das Richtige, dass er mir zwar den Raum gab, den ich zwischendurch brauchte, aber mir immer wieder signalisierte: Ich bin da. Du bist nicht allein.
Akzeptiere sie/ihn
Was auch helfen kann: Den Menschen vor dir so zu akzeptieren, wie er ist.
Mein Sohn (3 Jahre) begleitete mich z.B. zum Zahnarzt, weil ich eine Schiene für die Übergangszeit bekommen sollte. Leider war die kaputt, weshalb ich weiter als zahnlose Minka rumlaufen musste. Das erklärte ich meinem Sohn, woraufhin er mich bat, meinen Mund aufzumachen. Er hielt mein Gesicht mit seinen kleinen, weichen Händen, schaute in meinen Mund und sagte nichts. Es war keine Trauer, kein Ekel, da war einfach keinerlei Bewertung in seinem Blick. „Lass uns zum Spielplatz gehen.“, schlug er vor.
„Ich liebe dich auch ohne Zahn.“ – zumindest deutete ich diesen stillen Moment so. Ich fand diese Geste echt süß, hat sie mir doch gezeigt, dass mein Sohn mich auch so liebt. Das hat mir viel Kraft gegeben, weil ich mich dadurch einfach geliebt fühlte.
Und dann gab es da noch ein paar fremde Kinder auf dem Spielplatz, die mich trotz meines Makels ganz normal behandelten, sich mit mir wie mit jedem anderen unterhielten und mit mir spielten und mir zeigten, dass ich auch mit diesem Verlust ein vollwertiger Mensch bin und mich nicht schämen brauche.
Es war zwar schade, was ich verloren und erlebt hatte, aber ICH war ok, ich wurde nicht wie eine Aussätzige behandelt. Diese Akzeptanz von außen ließ mich ruhiger werden und war reiner Balsam für die Seele.
Fazit
Du kannst viel falsch machen, wenn du versuchst, jemanden in seiner Trauer zu begleiten. Dazu zählen jegliche Versuche der Aufmunterung und Ablenkung sowie Floskeln, Motivationssprüche, Zukunftsgelaber, Heuchelei, Vergleiche, Trivialisierungen sowie Verurteilungen.
Die beste Methode, jemanden zu trösten, indem er sich voll und ganz gesehen und gehört fühlt, besteht darin, einfach da zu sein, die Person aufzufangen und gemeinsam mit ihr den Schmerz zu bewältigen, am Besten durch aktives Zuhören und die gewaltfreie Kommunikation (GFK).
Wie du siehst, geht es also nicht darum, großartige Reden vorzubereiten, ausgefallene Ablenkungs- und Aufmunterungsmanöver zu starten oder mit Tipps und Ratschlägen um dich zu werfen, denn die sind absolut nicht hilfreich.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Wenn gewünscht, ist eine Umarmung, ein Tipp oder ein eigener Erfahrungsbericht in Ordnung, du solltest aber unbedingt darauf warten, dass die Person dich unaufgefordert darum bittet.
Wenn du nicht weißt, wie du mit der Situation umgehen sollst, sei lieber ehrlich, geh hin und sag es einfach, statt dich aus Angst fernzuhalten, denn das kann die/der Trauernde als sehr verletzend empfinden, weil sie/er sich dadurch wie ein/e Aussätzige/r fühlt.
Was hilft dir, wenn du total deprimiert bist?
Schön geschrieben, schön erklärt. Ich mag deinen blog generell sehr und finde mich oft hier wieder 😉 danke, dass du deine Gedanken teilst.
Hallo Irrstern,
das freut mich zu lesen 🙂 Ich hab meine Gedanken sehr gern geteilt, weil es mir ein dringendes, persönliches Anliegen war. Hoffentlich werden es einige lesen und es sich auch zu Herzen nehmen können.
Liebe Grüße
Julia
Hallo Julia,
das ist ein sehr schwieriges Thema, danke, dass du darüber schreibst. Ich hoffe, die Wunde ist gut verheilt. Ich bin oft wenn Trost nötig ist ratlos und überfordert. Meine Überlegung dazu, dass der Trost durch deinen Sohn „komm Mama, wir machen was, das mir auch immer hilft“ (also auch irgendwie Ablenkung) vielleicht deswegen so gut geholfen hat, weil er sich die Verwundung vorher angesehen und wahrgenommen hat und das neue Aussehen als „Aha, das sieht jetzt so aus“ einfach akzeptiert hat? Mein Trostfehler äußert sich oft in „Ohjee du arme, vielleicht hilft dir dies oder das oder du könntest vielleicht XY machen“… Ich werde daran arbeiten…
Liebe Grüße
Liebe Mariselja, danke für deinen Kommentar. Ja, mittlerweile komme ich damit ganz gut zurecht, auch wenn zwischendurch auch wieder was war, wo sich die Krone einfach gelockert hat und ich einen Tag wieder ohne rumlaufen musste. Ich bin schockiert, wie schnell sich das auf mein Selbstbewusstsein ausübt, ich bin dann ganz schnell ganz klein und will mich einfach nur verkriechen…
Deine Überlegung finde ich interessant. Ja, das könnte tatsächlich sein, dass mir die Begutachtung und Wahrnehmung meines Sohnes das eigentliche „Pflaster“ war, das mir geholfen hat 🙂
Und zu deiner Erzählung, wie du es machst: Ich spreche mich davon auch nicht frei, manchmal will ich auch einfach nur helfen, weil die Lösung so naheliegend erscheint. Und manchmal braucht man vielleicht auch gerade das. Vielleicht fragen wir beide vorher einfach, ob jemand eine Idee von uns hören möchte, wie man das wieder hinbekommt, was meinst du?
Liebe Grüße
Julia
Wow, vielen Dank, dass du so offen über deine Wunden hier gesprochen hast! Dass hat mich und wahrscheinlich auch einige andere Leser hier, gebildet im Sinne des Tröstens! Wirklich schöner Beitrag!
Liebe Bari,
hab vielen Dank für deine wohltuenden Worte 🙂
Alles Liebe
Julia