Als Kind war ich ganz schön naiv, wenn ich an diesen Tag zurückdenke.
Was meiner Schwester und mir damals um ein Haar passiert wäre, wovor sich jede Mutter und jeder Vater fürchtet, und wie du dein Kind vor einer Entführung schützen kannst, das erfährst du in diesem Artikel.
Beinahe weggeschnappt – 10 Tipps zum Schutz vor Kindesentführung
Meine Schwester und ich waren als Kinder oft zusammen unterwegs. Im Gegensatz zu meiner älteren Schwester fand ich das natürlich obercool!
An diesem besagten Tag waren wir auf unserem Schiff-Spielplatz im Hinterhof, der damals noch nicht umzäunt war. Jede/r konnte ein- und ausgehen, wie es ihr/ihm gefiel.
Wir spielten allein. Keiner war da. Bis plötzlich ein Mann mit einem kaputten Fahrrad zu uns auf den Spielplatz kam.
Wir unterhielten uns mit ihm über sein kaputtes Fahrrad. Dann spielten wir weiter. Der Mann folgte uns.
Unser Spielplatz war wie ein großes Schiff gebaut, wo man in den Bug klettern konnte. Was wir auch taten. Der Mann folgte uns. Er wollte immer, dass wir im Bug spielten, aber wir ließen es schnell wieder sein. Ich zu meinem Teil, weil es darin unheimlich stark nach Urin stank, und meine Schwester, weil sie nicht wollte. Ich merkte ihr an, dass sie ihn nicht mochte und ihm misstrauisch gegenüber stand.
Ich weiß noch, dass er oft gelächelt hat. Und irgendetwas sagte er bestimmt auch zu uns. Als Kind fand ich diesen Mann nett. Ich hatte Mitleid mit ihm, weil sein Vorderrad eine 8 hatte und er nicht mehr damit fahren konnte.
Zum Spaß hob er mich auch hoch in die Luft! Ich mochte das! Mein Gott, was war ich damals naiv!
Meine Schwester, auch wenn sie nur ein Jahr älter als ich war, hatte da ganz andere Ansichten. Wenn mich der Mann zum Vergnügen hochhob, fand ich das lustig. Sie hingegen wollte nicht von ihm hochgehoben werden.
So spielten wir eine Weile weiter und rannten dann zur Drehscheibe. Auch hier wollte der Mann uns wieder hochheben. Aber jetzt sagten sowohl meine Schwester als auch ich „Nein!“ – auf der Drehscheibe laufen machte schließlich noch mehr Spaß!
Doch auf einmal ging der Mann mit seinem Fahrrad weg, ohne sich von uns zu verabschieden. Wir wunderten uns, warum er so plötzlich verschwand. Wir sahen uns um. Und dann entdeckten wir: unsere Mutti! Wir sprangen von der Drehscheibe und rannten ihr entgegen, um sie zu begrüßen. Sie hatte wohl diesmal früher Schluss gemacht auf Arbeit! Wir freuten uns natürlich ungemein. Aber warum machte sie so ein finsteres Gesicht?
Als Kind verstand ich noch gar nicht, was danach alles passierte. Warum wir von einem Polizisten über den netten Mann befragt wurden. Warum unser Spielplatz plötzlich umzäunt wurde und nur noch Anwohner/innen mit Schlüssel in den Hinterhof konnten. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mit meinen Fingern spielte, als mir all diese Fragen von dem Beamten gestellt wurden. Sein Gesicht hab ich gar nicht mehr im Kopf.
Der 7. Sinn
Jahre später unterhielt ich mich mit meiner Mutter über diesen Vorfall. Sie erzählte mir, wie ihr den ganzen Tag über auf Arbeit mulmig zumute war.
Ein unbeschreibliches Gefühl. Es ging ihr einfach unglaublich seltsam; sie konnte es nicht genau erklären. Aufgrund des andauernden Gefühls beschloss sie, früher als geplant Feierabend zu machen und nach uns zu sehen.
Dass sie uns auf dem Spielplatz dann mit einem fremden Mann sah, jagte ihr eine Heidenangst ein. Und dass der Typ so plötzlich das Weite suchte, als er sie sah, bestätigte nur ihre Annahme. In ihren Augen war das ein Kinderfänger, dessen Vorhaben sie gerade noch rechtzeitig verhindern konnte.
Denk, was du willst, aber nach dieser Unterhaltung glaube ich an den 7. Sinn und noch mehr an das unsichtbare Band zwischen Mutter und Kind.
Auf Gefahren vorbereiten
Was ich aus diesem Erlebnis gelernt habe: Kinder müssen auf Gefahren – z.B. eine Entführung – vorbereitet werden. Die Welt besteht leider nicht aus rosa Zuckerwattewolken. Wäre toll, wenn’s so wäre. Aber leider sieht die Realität so ganz anders aus…
Nun wird mein Kind bald 6 Jahre alt und möchte auch mal gerne allein zu seinem Freund gehen, der direkt um die Ecke wohnt. Er ist mega freundlich und grüßt jede/n, was mich jedes Mal dahin schmelzen lässt, aber es macht mich auch ängstlich, v.a. wenn ich Videos sehe, in denen getestet wird, ob Kinder mit einem Fremden mitgehen. Die Masche des Täters ist recht simpel: Er hat ein süßes Tierbaby, einen Welpen oder ein Kitten, und lockt die Kinder ganz einfach vom Spielplatz weg. Obwohl ihnen von den Eltern eingebläut wurde, nicht mit Fremden mitzugehen, gehen sie mit.
Wie bereitest du dein Kind auf solche Situationen vor? Es gibt viele, gute Tipps:
- Erzieh dein Kind zu einem selbstbewussten Menschen. Wahre seine Grenzen. Akzeptiere sein „Nein!“, so oft es nur geht. Handle nicht übergriffig, indem du es einfach schnappst, weil du jetzt los willst, dein Kind aber noch so gern zu Ende spielen möchte. Ich weiß, dass jede/r mal in so eine Situation kommt. Versuche, sie zu vermeiden, indem du immer genügend Zeit für deine Vorhaben planst. Wenn dein Kind so lernt, dass jede/r seine Grenzen respektiert, wird es diese auch gegenüber einem Fremden wahren und selbstbewusster „Nein!“ sagen.
- Gib deinem Kind Beispiele, mit was der Fremde locken könnte. Etwa, dass der Fremde ein niedliches Tierbaby dabei hat und ihm noch mehr zeigen will. Dass du angeblich im Krankenhaus bist, weil du einen Unfall hattest, und sie zu dir fahren sollen. Dass er Hilfe benötigt.
- Es gibt „böse“ Menschen. Aber die, die ein Kind entführen wollen, sind in den Augen eines Kindes nicht „böse“. Sie verhalten sich nicht „böse“. Sie reden freundlich, wirken nett und werden auch vom Umfeld nicht als „böse“ eingestuft. Hier eine gute Mitte zu finden, ist schwierig, finde ich. Ich will mein Kind nicht vor Fremden warnen. Denn deren Hilfe bräuchte es mitunter sogar. Aber wenn es doch nicht mit Fremden reden soll, wird’s schwierig. Ich finde daher die Regeln „Wenn du gehen willst, sag mir Bescheid.“ oder „Wenn dir jemand etwas schenken will, sag mir Bescheid.“ viel besser.
- Zeig deinem Kind, wie es reagieren soll. Es soll den Fremden siezen, damit Außenstehende bemerken, dass es sich nicht etwa um einen Familienstreit handelt, in dem das Kind nur „trotzt“.
- Sehr beliebt ist auch, den Fremden nach einem Passwort zu fragen. Dieses Passwort hast du vorher mit deinem Kind vereinbart. Wenn der Fremde es nicht kennt, soll es sich vom Fremden entfernen und sogenannte Rettungsinseln aufsuchen, z.B. Bäcker, Apotheke, Supermarkt. Dort soll es andere Erwachsene darauf aufmerksam machen, dass ein Fremder es mitnehmen will.
- Wenn es zum Übergriff kommt, indem dein Kind etwa mitgezogen wird, soll es laut rufen:„Lassen Sie mich los!“ Treten, schlagen, beißen, kratzen, schreien – alles ist erlaubt, um sich zu wehren und befreien zu können. Um die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen, ist ein lautes „Feuer!“ hilfreicher als ein „Hilfe!“ Also: „Feuer!“ rufen!
Vorbeugen
Damit dein Kind erst gar nicht in so eine Situation kommt, gibt es noch weitere wichtige Tipps:
- Lass dein Kind mit einem anderen Kind gemeinsam oder in der Gruppe laufen.
- Es soll in belebteren Zonen laufen und einsame Strecken meiden.
- Der Name deines Kindes sollte nicht von außen erkennbar sein (z.B. am Rucksack, Ranzen, Turnbeutel). So kann auch kein Fremder es mit seinem Namen ansprechen, was mehr Vertrauen schaffen würde.
- Üben, üben, üben. Es kann sicher nicht schaden, so eine Situation mit einem „Fremden“ mal zu üben. Es kann auch nicht schaden, dein Kind immer mal wieder daran zu erinnern, was ihr vereinbart habt. Wo sich Rettungsinseln befinden. Wie es sich verhalten soll, wenn es von einem Fremden angesprochen oder gar angefasst wird.
SOS-Nachricht senden
Gehen wir mal vom schlimmsten Fall der Fälle aus: Dein Kind geht DOCH mit dem Fremden mit. Und während es im Auto sitzt, breitet sich ein mulmiges Gefühl in ihm aus, das ihm sagt: Irgendwas stimmt hier nicht. Und dann merkt es: „Scheiße, der will mich gar nicht zu Mama ins Krankenhaus fahren!“ Was dann?
Für diese (oder ähnliche) Fälle gibt es eine – finde ich – super Lösung, und zwar die SOS-Nachricht. Die lässt sich ganz einfach auf dem Smartphone einrichten. Wie das genau funktioniert, zeigt dir das folgende Video:
Dein Kind muss in diesem Notfall nicht viel mehr tun, als 3 Mal den An- und Ausschalter am Smartphone zu drücken. Sobald das geschieht, wird ein Foto von der Front- und Hinterkamera, eine ungefähre GPS-Meldung und eine Sprachnachricht verschickt. An welche Kontakte die SOS-Nachrichten versendet werden, kann jede/r individuell auf ihrem/seinem Smartphone einstellen.
Die SOS-Nachricht ersetzt zwar nicht den Anruf bei der Notfallzentrale, aber immerhin bekommen die Kontakte überhaupt erstmal mit, dass etwas im Gange ist und können dann selber 110 wählen.
Aufenthaltsort des Kindes orten
Natürlich besitzt nicht jedes Kind ein Smartphone, das man mit so einer Hilfefunktion ausstatten kann; vielleicht besitzt es noch nicht einmal ein Telefon.
Deshalb gibt es noch eine weitere Lösung, die du vielleicht genau so kritisch siehst wie ich, die aber im absoluten Notfall Leben retten kann. Es geht darum, den Aufenthaltsort des Kindes orten zu können.
Niemals sollte diese Technik missbraucht werden, um Kontrollzwang auszuüben: Wo ist mein Kind? Was macht es gerade? Wurde ich angelogen? Trifft sie/er sich wirklich mit XYZ, um Hausaufgaben zu machen? Geht sie/er wie vereinbart direkt nach der Schule nach Hause?
Dem Kind Flügel geben und so. Vertrauen schenken. Ich weiß. Sehe ich genau so.
Aber stell dir folgende Situation vor: Dein Kind wird entführt. Es kann sich nicht wehren. Niemand hat etwas mitbekommen. Es wird betäubt, ab ins Auto. Und dann? Dann hilft auch keine SOS-Nachricht mehr und was ihr sonst noch geübt habt. In solchen Fälle darf die moderne Technik gern unser bester Freund sein.
Wie funktioniert das genau? Entweder installiert man auf dem Telefon eine entsprechende App zur Ortung. Da gibt es beispielsweise die kostenlose „BringMeBack“-App (zu Deutsch: „Bring mich zurück“). Hier kann jederzeit vom Telefon der Eltern aus der Aufenthaltsort des Kindes bestimmt werden. Für diejenigen ohne Telefon gibt es z.B. Tracker (Peilsender)*.
Wenn du nicht die ganze Zeit auf’s Telefon gucken und dein Kind orten willst, gibt es auch eine Lösung. Dafür werden in der App bestimmte Zonen eingerichtet. Grüne Zonen, in denen sich dein Kind problemlos aufhalten darf. Rote Zonen, die es nicht betreten darf. Je nachdem, was du eingestellt hast, kannst du z.B. eine Nachricht erhalten, sobald dein Kind die grüne Zone verlassen hat oder sich in der roten befindet.
- KEINE DISTANZBEGRENZUNG: Der GPS-Tracker arbeitet ohne jegliche Entfernungsbegrenzung. Sie können Ihrem Kind mit Ihrem Smartphone (iPhone oder Android-Geräte) folgen, wo auch immer Sie gerade sind (mehr als 100 Länder weltweit)
- GPS LIVE TRACKING: Der GPS-Tracker sendet ununterbrochen seine Position: bis zu einer Position alle 10 Sekunden in Bewegungsphasen, alle 5 Minuten bei Stillstand. Unbegrenzte Anzahl an aufrufbaren Positionen
- SOS-TASTE und NOTFALL-TELEFON Ihre Kinder können Sie auch über die Notfall-Telefon-Option anrufen (10 Minuten Guthaben pro Monat)
- LANGE AKKULAUFZEIT: Die Akkulaufzeit beträgt eine Woche bei täglicher Nutzung (zwei Stunden pro Tag aktiv genutzt). Innerhalb von zwei Stunden ist das Gerät vollständig aufgeladen.
- ABO: der GPS-Sender ist mit einer SIM-Karte ausgestattet (die mitgeliefert wird). Es ist daher ein Abo erforderlich, um die Servicegebühr von 3,75 € im Monat abzudecken (für ein 2-Jahres-Abo).
Ganz klar: Diese Technik sollte mit Bedacht genutzt werden. Sie ist ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre deines Kindes UND in euer gegenseitiges Vertrauen. Aber wenn dein Kind nicht nach Hause kommt, du es auf dem Spielplatz immer lauter rufst und es nicht auftaucht und du verzweifelt nach ihm suchst… dann bist du bestimmt froh, auf die moderne Technik zurückgreifen zu können, oder?
Passt auf euch auf! Wir hatten damals Schwein gehabt, dass nichts passiert ist.
Liebe Julia,
vielen Dank für diesen Beitrag. Es ist soooo wichtig, seine Kinder auch von den Gefahren im Leben zu erzählen. Wir bringen ihnen ja auch bei, an der Straße vorsichtig zu sein!
Ich habe auch oft ein mulmiges Gefühl, wenn ich meine Kinder draußen alleine spielen lasse. Irgendwann kann uns sollte man nicht mehr ständig bei den Kindern sein. Es ist ja auch wichtig, dass sie eigenständig werden. Umso wichtiger, sie auf die Gefahren des Lebens vorzubereiten!
Werde gleich heute mit meinen beiden mal wieder drüber sprechen.
Sehr schöner Blog übrigens ;o)
Viele Grüße
Andrea
Liebe Andrea, dass dir mein Artikel – und dazu noch mein Blog – gefallen hat, rührt mich sehr. Vielen Dank!
In allem, was du schreibst, kann ich dir nur zustimmen.
Und ich finde die Idee, dass du deine Kinder immer mal wieder auf dieses Thema ansprichst, beispielhaft! Es sollte ihnen immer vor Augen geführt werden, damit sie es verinnerlichen und nicht vergessen! Denn, in diesem Punkt sind wir uns einig, irgendwann fordern sie es auch ein, mal etwas allein unternehmen zu dürfen.
Liebe Grüße
Julia
Vielen Dank für deinen Artikel!
Ich habe leider auch als Kind so etwas in ähnlicher Form erlebt. Sowas vergisst man wirklich nie im Leben! Ich habe die ganze Situation von damals noch in Erinnerung, jedes Detail!
Ich denke beinahe täglich daran, seit ich Kinder habe noch mehr.
Liebe Ramona, das klingt beängstigend! Wie gehst du mit dieser ständig präsenten Erinnerung um, gerade in Bezug auf deine Kinder? Das würde mich sehr interessieren.
Liebe Grüße
Julia