Dir ist der Begriff “Trotzphase” sicherlich auch ein Begriff. Oder Sätze wie “Jetzt bockt er wieder rum!” oder “Sie hat schon wieder ein Böckchen!”. Vielleicht hast du sie auch selbst einmal zu deinem Kind gesagt, wenn es seinen Willen geäußert hat.
Leider ist die sogenannte Trotzphase negativ mit einem Auf- oder Widerstand des Kindes behaftet. Wieso sich dein Kind so verhält und wie auch du es schaffen kannst einen anderen Blick auf dein Kind zu bekommen, möchte ich dir gerne in diesem Beitrag verraten. Also sei gespannt und lies unbedingt weiter, denn das wird die Beziehung zu deinem Kind zum Positiven verändern.
Gelassenheit in der Trotzphase – liebevolle Begleitung durch Wutanfälle
Ich persönlich verwende lieber das Wort Autonomiephase anstelle von Trotzphase, weil beim Kind in erster Linie Ablösung und Selbstständigkeit im Vordergrund steht und nicht Widerstand und Trotz. Dein Kind macht erste “Ich”- Erfahrungen und verlässt langsam die Mutter-Kind-Symbiose. Es merkt, dass es ein eigenständiges Lebewesen ist und möchte Dinge selbst entscheiden und ausprobieren.
Diese Phase kann sehr anstrengend sein, wie du im folgenden Beispiel sehen wirst.
Neulich bei uns zuhause:
Mein Sohn spielt gerade ganz friedlich mit seiner Eisenbahn, fährt den Zug durch den Tunnel und über die Brücke. Da passiert es plötzlich: der Zug entgleist und fällt von der Brücke herunter. Jetzt denkst du vielleicht, ja ist ja kein Problem, dann wird der Zug einfach wieder auf die Schienen gestellt und weiter geht`s. Klingt auch ganz logisch. Aber das interessiert meinen Sohn in diesem Moment nicht.
Er wird wütend, fängt an den Zug mitsamt den Anhängern durch das Wohnzimmer zu werfen und schreit und weint. Als ich zu ihm gehe und ihn trösten möchte, wie ich das immer seit 20 Monaten mache, wird er noch wütender und gibt mir zu verstehen, dass er meinen Trost nicht möchte. Also halte ich Abstand, bin aber dennoch präsent, ganz in seiner Nähe, falls er es sich doch anders überlegt und meine Begleitung braucht. Es vergehen 5 Minuten. Ich versuche zwischendurch immer mal wieder Nähe herzustellen, indem ich ihm sanft über den Rücken streiche, das möchte er aber nicht. Es vergehen weitere 10 Minuten, dann beruhigt er sich und ist auch bereit auf meinen Schoß zu kommen und ich stille ihn erst einmal.
Nachdem er sich komplett beruhigt hatte, konnten wir zusammen in Ruhe weiterspielen. Alles war wieder gut, als wäre nichts geschehen. Doch es ist etwas geschehen, was wir von außen nicht sehen können. Etwas, was sich im Gehirn der Kleinen abspielt.
Autonomiephase und emotionale Entwicklung
Neugeborene sind noch sehr unselbstständig, lassen sich von A nach B tragen und sind auch sonst noch nicht mobil, um selbst an irgendwelche Dinge heranzukommen. Das ändert sich schlagartig sobald sie anfangen sich zu drehen, zu robben, zu krabbeln und dann später auch zu laufen. Diese Phase, die nebenbei erwähnt ein Leben lang anhält, heißt auch Autonomiephase und beginnt etwa um den ersten Geburtstag herum.
In der Autonomiephase ist dein Kind in Entdeckerlaune, will sich die Welt erschließen, selbst ausprobieren und alles mögliche anfassen und erforschen. Zur Autonomiephase gesellt sich auch die emotionale Entwicklung deines Kindes. Es lernt nach und nach alle Gefühle kennen. Von Freude und Trauer über Wut und Angst durchläuft dein Kind die komplette Gefühlspalette.
Die emotionale Entwicklung findet im limbischen System im Gehirn statt und hat Vorrang (!) vor der Entwicklung des Verstandes oder der Vernunft im Neokortex. Das bedeutet, dass der Teil im Gehirn, der für die Emotionen zuständig ist, schon weiter entwickelt ist, als der kognitive Bereich, denn das war zu Urzeiten überlebensnotwendig. Wir haben nicht erst überlegt, ob wir jetzt vor dem Säbelzahntiger wegrennen, sondern haben aus einem emotionalen Impuls heraus reagiert und sind losgerannt, um nicht gefressen zu werden.
Dein Kind reagiert also immer erst einmal emotional und kann rationale Sachen noch nicht mit einbeziehen oder verstehen. Jedes Gefühl von Wut, Traurigkeit oder auch Angst überrennt dein Kind und es kann nichts dagegen tun. Es kann sich verbal noch nicht gut genug ausdrücken und verfällt in einen “Notstand” oder auch “Systemzusammenbruch”. Alles was du jetzt verbal an dein Kind heran trägst, wird es weder hören, aufnehmen oder verstehen können. Es wird von seinem Gefühl überrannt und ist dem völlig ausgeliefert. Es weiß weder ein noch aus, ist wie abgeschirmt vom Rest der Welt, fühlt sich hilflos und überfordert. Und auch du fühlst dich wahrscheinlich hilflos, wenn du dein Kind so toben siehst!
Hilflosigkeit und Überforderung der Eltern
All das kann für uns Eltern enorm anstrengend und nervenraubend sein, sollten mehrere Wutanfälle hintereinander kommen. Oder du fühlst dich persönlich von deinem Kind angegriffen! Es möchte dich aber nicht angreifen, es möchte sein Vorhaben in die Tat umsetzen und wird frustriert, wenn das nicht gelingen möchte oder es dabei unterbrochen wird. Es tut nichts gegen dich, sondern lediglich für sich! Wenn du dir das bewusst machst, kann eine gute Beziehung zum Kind gelingen.
5 Dinge, die du tun kannst, um in Beziehung mit deinem Kind zu sein und zu bleiben
1. Die Willensäußerungen und das dazugehörige Verhalten deines Kindes annehmen
Auch wenn dir das schwer fallen mag. Sieh das Verhalten nicht als Widerstand gegen dich, sondern als die Entwicklung der Selbstständigkeit deines Kindes an.
2. Gefühle benennen und Verständnis zeigen
Du kannst deinem Kind helfen, indem du Verständnis zeigst und seine Gefühle spiegelst und das geht so: “Ich sehe, dass du traurig/wütend/ängstlich bist…, das kann ich verstehen, das ist echt doof, …mir würde es nicht anders gehen” etc.
3. Körperkontakt und ein wohlwollender Blick
Falls erwünscht, kannst du dein Kind auf den Arm nehmen und auch wohlwollende Blicke können ihm helfen, sich wieder zu beruhigen. Lass dein Kind bitte nicht alleine weinen, es braucht dich. Warum man Babys und auch Kinder nicht alleine weinen lassen sollte, habe ich bereits im Beitrag „Was schreien lassen mit deinem Baby macht“ ausführlich beschrieben.
4. Eine “Ja”-Umgebung schaffen
Alle gefährlichen Gegenstände (Putzmittel, Messer etc.) außer Reichweite des Kindes aufbewahren, sodass es gefahrenlos explorieren kann. So kannst du dich entspannt zurücklehnen,deinen Kaffee in Ruhe genießen und dein Kind beim Entdecken beobachten.
5. Alternativen anbieten und kreativ sein
Wenn es Probleme mit der kindlichen Kooperation gibt, darfst du genau hinschauen, welches Bedürfnis dahinter stecken könnte. Du darfst bei der Lösungsfindung kreativ sein und Alternativen finden, die das Miteinander angenehmer gestalten. Kinder sind von Natur aus kooperativ, nur dann nicht mehr, wenn sie schon zu oft kooperiert haben oder sie zu oft gekränkt und verletzt wurden.
Was mir persönlich hilft, ist tief durchzuatmen, bis 10 zu zählen und mir zu sagen, dass mein Kind mich damit weder verärgern, provozieren oder tyrannisieren möchte. Es kann einfach nicht anders, weil es noch ein paar Jahre braucht, um seine Impulse zu kontrollieren und wir dürfen es darin begleiten.
Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass es nicht darum geht perfekt zu sein, das geht auch gar nicht. Es geht darum, Alternativen und Kompromisse zu finden, die für alle erträglich sind und die die kindliche Entwicklung im Auge behalten, damit Kinder psychisch und physisch gesund aufwachsen dürfen. Eine feinfühlige Begleitung ist wichtig für die Bindung zu deinem Kind. Eine gute Bindung ist das, was dein Kind stark macht für die Zukunft. Wenn es gesehen und in seinen Bedürfnissen ernst genommen wird. Kinder kommen gut zur Welt und tun täglich ihr Bestes im familiären Miteinander, wir müssen nur genau hinschauen.
Fällt es dir leicht mit den Wutanfällen deines Kindes umzugehen? Gerätst du in Stress oder kannst du ganz ruhig bleiben? Was hilft dir in solchen Momenten? Hinterlass doch gerne deine Erfahrung im Kommentar.
Wenn du dich noch mehr in das Thema vertiefen möchtest, kann ich dir das Buch von Danielle Graf und Katja Seide „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen“* ans Herz legen.
Danke für diesen tollen Blog. War sehr interessant zu lesen.
ja mit kindern ist es manchmal nicht ganz einfach.
aber regeln aufstellen und sich daran halten hilft immer =)
xoxo
franzi