Verliere ich meine Freunde, weil ich Mutter/Vater bin?

Es heißt, wenn man Kind(er) bekommt, würde man seine Freunde verlieren. Weil man merkt, dass man sich fremd geworden ist. Auf einmal völlig andere Interessen hat. Dass einem jetzt Dinge nicht mehr so wichtig sind wie früher.

Aber ist das wirklich wahr? Ich verrate dir 7 Gründe, weshalb man seine Freunde wirklich verliert.

Verliere ich meine Freunde, weil ich Mutter/Vater bin?

Letztens bekam ich eine Nachricht von einem guten Freund, die sich gewaschen hatte. Als ich sie las, musste ich ganz schön schlucken. Er beschwerte sich, dass ich mich wochenlang nicht melde. Dass immer nur er es ist, der den Kontakt hält. Ich würde zwar zurückschreiben und Treffen vorschlagen und wir würden uns auch treffen, aber nur, damit ich mich dann wieder wochenlang nicht melden würde. Ich könne mich ja auch einfach mal nur so melden, ohne – oh Wunder – konkreten Anlass.

Immer und immer wieder las ich die Zeilen. Ich war erst verletzt. Dann wütend. Wollte ihm eine ordentlich gepfefferte Nachricht zurückschreiben. Wollte mich rechtfertigen und ihn auf den Mond schießen.

Doch dann war ich ruhig. Ich wusste, ich log mir gerade in die eigene Tasche. Ich wusste, er hatte Recht.

Frau schaut übers Meer auf Landschaft

Ich hielt unsere Freundschaft für selbstverständlich. Dass ich nicht viel dafür tun müsse. Dass sie von ganz allein laufen würde. Aber Freundschaft ist etwas Lebendiges. Und etwas, das lebendig ist, kann auch verkümmern und irgendwann absterben. Wie eine Pflanze, die man nicht umsorgt.

Von daher bin ich diesem guten Freund dankbar. Ich bin dankbar dafür, dass er einfach Tacheles mit mir geredet hat. Er hätte es auch wie andere einfach auslaufen lassen und sich nicht mehr melden können.

Warum Freundschaften enden

Viele meiner Freundschaften sind nach der Geburt meines Sohnes eingegangen. Erst dachte ich, es liegt daran, weil ich Mutter geworden war.

Heute denke ich anders darüber. Warum enden Freundschaften wirklich? Hierfür gibt es 7 mögliche Gründe:



1. Verunsicherung

Wenn ein neuer Mensch in ein Leben tritt, braucht es immer erst Zeit, damit sich alle aneinander gewöhnen können. Ist doch genau so wie wenn meine Freundin frisch verliebt ist und jetzt erst mal nur ihren neuen Freund treffen will. Ist doch total ok und sollte man ihr auch nicht übel nehmen.

Mit einem Kind ist das nochmal eine ganz andere Sache, finde ich. Für diesen kleinen Menschen ist man nämlich ein Leben lang verantwortlich. Es ist alles neu, man steht total am Anfang und ist voller Sorgen und Ängste. Es braucht einfach Zeit, dass man warm geworden ist, sich eingespielt hat, sich besser versteht.

Mann hält schlafendes Baby im Arm, Frau freut sich

Gerade die Anfangszeit, also die Wochenbettzeit, fand ich schön, als mich meine Freund*innen besuchen kamen. Die mir was zu Trinken gebracht haben. Mir angeboten haben, den Haushalt zu schmeißen. Die was zu Futtern vorbeigebracht haben (Kartoffelsalat! Köstlich!). Mir den kleinen Piepmatz für wenige Sekunden abnehmen konnten, damit meine Hebamme meinen Bauch abtasten und ihn einmassieren konnte.

Es heißt, Kinderlose denken anders. Und das kann durchaus stimmen. Sie können nicht in mich hineinsehen. In mich, die vor Kurzem ein Kind bekommen hat. Womöglich sind sie verunsichert, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen sollen und brauchen Klarheit, Orientierung.

Deshalb bin ICH an der Reihe. Was brauche ich? Können mir meine Freund*innen dabei helfen? Wie? Brauch ich Ruhe und Einsamkeit? Oder fühle ich mich überfordert, hilflos, und sehne mich nach jemandem zum Ausheulen, die/der mir wieder aufhilft?

2. Überheblichkeit

Viele Kinderlose berichten, dass sich ihre Freundin plötzlich in eine zweite Mutti verwandelt hat und sie wie ein Kind behandelt.

Dass ich ein Kind bekommen habe, bedeutet doch nicht, dass meine kinderlosen Freund*innen mit einem Mal inkompetente Vollidioten geworden sind.

Warum sollte ich meiner/m Freund/in auf einmal klar machen wollen, dass es draußen kalt ist und sie/er doch nicht allen Ernstes ohne Jacke rausgehen kann? Dass sie/er sich noch nicht die Hände gewaschen hat, seit wir heimgekommen sind. Und sowieso habe ich jetzt durch mein Mutterdasein ja von überhaupt allem mehr Ahnung und werfe ihr/ihm jetzt mein gesamtes Wissen mit all meinen Ratschlägen und Tipps und Lebensweisheiten um die Ohren… Ganz ehrlich: Muss das sein?

Würde mich jemand so behandeln, hätte ich auch schon das Weite gesucht.

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3. Intoleranz

Freundschaft bedeutet für mich Akzeptanz. Toleranz. Meine/n Freund/in so nehmen, wie sie/er ist. Ich will sie/ihn nicht ändern und sie/er soll mich nicht ändern wollen.

Ich kann mir vorstellen, dass es aber welche gibt, die meinen, wenn sie ein Kind (oder mehrere Kinder) haben, dass sie alles besser wüssten und alle um sich herum ändern wollen – gerade die Kinderlosen. Oder dass die Kinderlosen nicht akzeptieren können, dass nicht auch mal der Papa das Kind ins Bett bringen kann, damit ich mal wieder zum Mädelsabend kommen kann.

Für eine Freundschaft ist Intoleranz Gift wie für jede andere Beziehung auch. Warum bin ich mit jemandem befreundet, die/den ich ändern will? Oder die/der mich ändern will?

Frauen sind in eine Deckel eingehüllt und lächeln

So endete beispielsweise eine Freundschaft abrupt, als ich ein Treffen absagte, weil die Nacht mit meinem Baby der blanke Horror gewesen und ich einfach totmüde war. Meine Freundin war die Tage aus Hamburg angereist – nicht nur wegen mir, sondern auch wegen anderer Freundschaften – und sie meldete sich nach meiner Absage einfach nicht mehr.

Genau so ist es, wenn mein/e Freund/in es unangenehm findet, wenn ich mein Kind stille. Weil sie/er das abstoßend findet oder sonstwie. Das kann durchaus das Ende einer Freundschaft bedeuten, wenn sie/er mich nicht so akzeptiert, wie ich bin, nämlich stillend. Sie/Er kann ihre/seine Meinung aber weiterhin haben und ich meine und wir können weiterhin befreundet sein.


4. Kompromisslosigkeit

Für Kinderlose mag es auch schwer zu verstehen sein, dass sich mit Kind wirklich alles ändert. Der Rhythmus, die Prioritäten, Gewohnheiten, Vorlieben, Abneigungen, Interessen, Gesprächsthemen usw. – alles verändert sich.

Wenn mir die Freundschaft zu jemandem wichtig ist, versuche ich, Kompromisse zu finden.

Nein, ich kann abends/nachts nicht auf die Party mitkommen oder ins Kino gehen oder mich betrinken oder beim Filmmarathon mitmachen. Aber ich kann Alternativen anbieten, um meine Freund*innen trotzdem zu sehen: Es gibt wunderbare (Kinder-)Cafés, (Indoor-)Spielplätze, Parks, Restaurants, das eigene Zuhause oder das Zuhause der anderen usw.

Kinder spielen mit Riesenseifenblasen

Außerdem: Was spricht dagegen, sich tagsüber zu treffen? Warum müssen Erwachsenentreffen zwangsläufig immer abends/nachts stattfinden?

Wenn mir eine Freundschaft zu jemanden etwas bedeutet, dann finde ich auch Wege, diese aufrecht zu erhalten.

5. Egozentrik

Wie gesagt, kann sich mit Kind wirklich viel in einem verändern. Wie man denkt, fühlt, was einem wichtig/unwichtig ist usw.

Auch für mich waren plötzlich ganz andere Themen hochinteressant. Am Liebsten hätte ich die ganze Zeit über Babys, Windeln, Schlafgewohnheiten, Ess- und Trinkverhalten, Spielzeug, Impfen, Gesundheit, Krankheit, Kita usw. geredet.

Doch ich erinnerte mich an die Zeit zurück, in der ich selber noch kinderlos war: Ich war Azubine in einer Rechtsanwaltskanzlei. Meine beiden Kolleginnen im Zimmer waren bzw. sind Mütter. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sie den ganzen, verdammten Arbeitstag über nichts anderes als ihre Kinder reden konnten. Sophia kommt in die Schule und es tauchen die ersten Probleme auf, weil sie Mathe nicht mag, sondern lieber lesen will, aber sie muss doch auch Mathe üben. Oh Gott, sie hasst die Schule jetzt schon! Der kleine Winfried ist so ein Goldschatz, weil er so süße Geräusche macht!!

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Sie fanden es hochinteressant. Ich als Kinderlose hatte absolut null Verständnis für dieses Gelaber. Wirklich. So fies es klingen mag. Aber ich konnte damit nichts anfangen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch kein Kind. Konnte es mir nicht ansatzweise vorstellen und konnte demnach auch absolut nicht kapieren, was es so Faszinierendes an Kindern geben mochte, dass man sich den ganzen Tag darüber unterhielt. Es machte mich aggressiv. Es nervte mich.

Und deshalb versuche ich jetzt, wo ich selber Mutter bin, ein Gleichgewicht zu halten. Natürlich will ich über meinen Sohn erzählen. Aber meine Freund*innen sind teilweise immer noch kinderlos und wollen sich nicht den ganzen Tag darüber unterhalten. Ihr Leben ging bisher auch weiter. Sie haben andere Interessen und wollen auch darüber erzählen.

Frauen sitzen auf einer Bank und lachen

Die Welt dreht sich nicht nur um mich. Das will ich damit sagen.

5. Einseitigkeit

Zu einer Freundschaft gehören immer zwei. Mindestens.

Es ist wie bei jenem guten Freund, den ich oben erwähnt hatte. Wo immer nur er es war, der sich meldete.

Aber Freundschaft ist beidseitig. Wenn eine/r immer nur gibt und macht und tut und die/der andere im Gegenzug immer nur nimmt und nie etwas macht und tut, dann ist es kein Wunder, wenn die Freundschaft im Sande verläuft. Dann wird aus jener Freundschaft nur noch ein Facebookprofil in einer langen Freundschaftsliste, das nur aus Höflichkeit nicht gelöscht wird.

6. Rumgedruckse

Ein tolles Wort: Rumdrucksen! Ich liebe es! Das trifft es nämlich haargenau. Wenn sich jemand nicht auszudrücken weiß und so vor sich hin stammelt. Um den heißen Brei redet. Nicht auf den Punkt kommt.

Frau senkt den Blick

Ehrlichkeit ist das A und O in einer Freundschaft. Ohne sie geht gar nichts. Eine Freundschaft, die weder Kritik noch Meinungsverschiedenheiten aushält, ist keine Freundschaft.

Wenn mich stört, dass meine Freund*innen sich immer nur abends zum Saufgelage treffen wollen, dann muss ich das ansprechen. Alternativen anbieten. Über meine Sorgen und Wünsche reden. Und nicht einfach eingeschnappte Leberwurst spielen, nichts unternehmen, aber hoffen, dass sie was unternehmen, und sie dann ziehen lasse, wenn sie es nicht tun. Zumindest nicht, wenn mir die Freundschaft wichtig ist.

Wenn meine Freund*innen eher von der Sorte sind, die unterschwellig mitteilen, dass sie mit etwas nicht einverstanden sind, dann muss – zumindest sehe ich das so – Klartext geredet werden.

Ich kann mit diesem „Ich ignoriere dich jetzt, weil ich sauer auf dich bin“-Quatsch absolut nicht umgehen. Macht mich aggressiv, weil meine Mutter auch immer so drauf war und ist. Hat mich als Kind zutiefst verletzt, als Jugendliche tierisch abgenervt und als Erwachsene kann ich nur noch mit den Augen rollen und den Kopf schütteln, weil es mir mittlerweile zu blöd geworden ist. Das ist doch Kindergarten.

Das heißt: Wenn jemand ein Problem hat, soll sie/er das direkt ansprechen und nicht versuchen, es indirekt mitteilen zu wollen. Menschen können keine Gedanken lesen und wissen, was im Kopf der/des anderen vor sich geht. Was sie/ihn stört.

7. Alte Zeiten betrauern

„Ja, ich weiß, es war’ne geile Zeit…“ singt Juli in ihrem Lied „Geile Zeit“ und es ist wahr. Es war eine geile Zeit, nachts loszuziehen, tanzen zu gehen bis früh am Morgen. Alkohol trinken, geile Musik hören, die erste Liebe, Shishabar und und und… War wirklich eine tolle Zeit.

Freundinnen ziehen durch die Gegend

Aber für mich als Mutter ist diese Zeit vorbei.

Ich kann durchaus verstehen, dass einige Freunde diesen alten Zeiten nachtrauern. Dass es auch Freunde gibt, die diese alten Zeiten nicht gehen lassen wollen und können. Die weiterhin auf Party gehen und stundenlang Filme ansehen, sich dabei Chips und Alkopops reinziehen und nichts anders in ihr Leben lassen wollen. Das ist bedauerlich, weil es womöglich das Ende einer guten Freundschaft bedeutet, aber Reisende (oder Feiernde?) soll man nicht aufhalten.

Wenn jemandem unsere Freundschaft wichtig genug ist, wird sie/er es verkraften, mich eine Zeit lang nicht bzw. nie wieder unter einer Discokugel zu treffen.

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Fazit

Freundschaften sterben nicht ab, weil man jetzt Mutter oder Vater geworden ist. Es sind die vielen, kleinen Dinge, die sich daraus entwickeln. Dass man andere ändern will und nicht so akzeptiert wie sie sind bzw. geworden sind. Dass einem die Freundschaft nicht wichtig genug ist, Kompromisse zu finden, überhaupt erst einmal Zeit füreinander zu finden. Auch über Dinge zu reden, die einen nicht interessieren, die/den Freund/in aber schon. Weil die Welt sich auch für andere weiterdreht und man nicht der Mittelpunkt des Universums ist.

Freundschaften gehen ein, weil man verunsichert ist und nicht weiß, was man tun oder sagen kann. Weil man den Mut verloren hat, zu sagen, was einem nicht gefällt oder dass man Hilfe braucht. Man will niemanden verletzen, aber eine Freundschaft sollte Ehrlichkeit und die Tatsache, dass nicht alle gleich sind, verkraften können.

Wir sollten miteinander reden und nicht unsere Freundschaften auf’s Spiel setzen, bloß, weil wir anderer Meinung geworden sind, andere Interessen haben, und meinen, wir würden uns voneinander entfernen. Freundschaften sind so wichtig. Wir müssen sie hegen und pflegen und dürfen sie nicht verkümmern lassen. Zumindest nicht, wenn sie uns wichtig sind.

Was würdest du deiner/m Freund/in jetzt gern sagen?

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