Unsere Kinder können so putzig und zuckersüß sein. Wie sie handeln, versetzt uns in Staunen und lehrt uns so einiges.
Doch es gibt auch Zeiten, in denen man erschöpft und ausgelaugt ist und für die kleinen Entdecker mit ihrem großen Forscherdrang wenig Geduld und Nerven hat. Manchmal vielleicht so wenig, dass man kurz vorm Ausrasten ist. Oder man rastet irgendwann wirklich aus, weil man es schon zu lange runtergeschluckt hatte.
Was hilft, wenn man kurz davor ist, vor Wut zu platzen und Dinge zu sagen und zu tun, die man im Nachhinein bereut?
Hier findet ihr die für mich hilfreichsten Tipps.
Wenn die Wut kommt
Damals zogen wir vor allem wegen der echt günstigen Mieten nach Hellersdorf. Von den anderen hörten wir dann immer Sprüche wie „In Hellersdorf leben nur die Asis. Allesamt arbeitslos, Hartzis, ungebildet, aber kriegen ständig Kinder.“, aber davon wollten wir nichts wissen. Rasch fanden wir eine hübsche Wohnung und zogen ein.
Mittlerweile leben wir seit fast 5 Jahren hier und haben uns unser eigenes Bild von diesem Bezirk gemacht.
Was ich am Schlimmsten hier finde, sind tatsächlich die Umgangsformen der Familien mit Kindern. Ich begegne ihnen überall: auf der Straße, an der Haltestelle, beim Einkaufen, im vorbeifahrenden Auto, auf Spielplätzen usw.
Die Eltern sind gestresst, überreizt, reagieren aggressiv und werden sofort laut und ungehalten, beleidigen, manche geben sogar einen Klaps.
Anderer Bezirk, andere Sitten
Als wir einmal im Volkspark Friedrichshain unterwegs waren, schien es, als seien wir in eine völlig andere Welt getreten. Glückliche Kinder, zufriedene Eltern, die gemeinsam mit den Kleinen im Sand buddeln und spielen noch und nöcher.
Was mich am Allermeisten faszinierte, war die Situation zwischen einem trotzigen Kind und seiner Mutter. Mutter und Kind gingen gerade noch Hand in Hand des Weges, da wollte der Kleine plötzlich nicht weiterlaufen und blieb stehen. Die Mutter versuchte ihn zum Laufen zu bewegen. Keine Chance. Der Kleine steigerte sich richtig in einen Wutanfall hinein. Er schrie und hantierte wild mit den Armen.
In Hellersdorf erlebe ich immer nur die Reaktionen überforderter Eltern. Doch statt auszurasten und das Kind hinterherzuzerren, redete die Mutter total ruhig und blieb cool.
Als ihr Sohn weiterhin der gesamten Umgebung sein Leid lauthals mitteilte, staunte ich nicht schlecht. Immerhin sahen sich in diesem Moment alle Leute dieses Geschehen an. Es muss ein enormer Druck auf der Mutter geherrscht haben, als sie von allen beobachtet wurde.
Irgendwann setzte sich die Mutter auf eine nahe gelegene Bank und ließ ihren Sohn weiter auf dem Boden herumkrakelen. Sie lief nicht einfach weiter, wie das die Eltern in Hellersdorf machen. Sie blieb in Sichtweite ihres Sohnes, entfernte sich nur wenige Meter von ihm, ließ ihn sich austoben. Bald darauf hatte er sich wieder gefangen und setzte sich mit auf die Bank, ruhte sich aus und redete mit seiner Mutter.
Wie ich mit Wut umgehe
Solch eine Situation musste ich bisher nicht mit unserem Sohn durchstehen. Ich frage mich, wie wohl meine Reaktion ausgesehen hätte, wäre ich an Stelle dieser Mutter gewesen.
Zwar verhält man sich immer etwas anders gegenüber seinem Kind, wenn man unter Beobachtung steht, doch ich zweifle daran, dass ich so souverän geblieben wäre. Immerhin gibt es bereits jetzt Situationen, in denen mich mein Sohn voll auf die Palme bringt. Und er ist erst 16 Monate alt! Er fängt gerade an, die ersten Wörter zu üben und kann mich trotzdem schon derartig zur Verzweiflung treiben. Wahnsinn! Wie soll das erst werden, wenn er älter wird? Ich habe Angst.
Weil ich mich oft dabei ertappe, wie unverhältnismäßig ich in manchen Situationen reagiere, wenn ich wütend bin, dachte ich, kann es nicht schaden, die Kontrolle über seine Wut zu üben. Im Internet mache ich mich sogleich über das Thema „Wut kontrollieren“ schlau und picke mir die für mich sinnvollsten heraus. Manche hatte ich bereits angewandt, ohne vorher gewusst zu haben, dass dies Methoden sind, um wieder runterzukommen.
Im Folgenden zeige ich euch die jeweiligen Methoden und wie sie bei mir in welcher Situation funktioniert haben.
Die Methoden
Raum verlassen
Als mich mein Sohn ständig beim Stillen biss, hatte ich mich anfangs überhaupt nicht unter Kontrolle. Wutentbrannt verließ ich dann den Raum, um Luft zu bekommen. Unbewusst hatte ich eine Methode zur Wutkontrolle angewandt. Und es hilft wirklich, auch wenn der Kleine einem schon nach wenigen Sekunden hinterherkrabbelt und nach einem ruft. Allein die kurze räumliche Trennung hat mich dann wieder so weit runtergeholt, dass ich nicht mehr so sauer auf meinen Sohn war.
Den Raum kann man natürlich nur verlassen, wenn das Baby nicht aus voller Kehle nach einem schreit und Hilfe braucht und allein gelassen werden würde. Wenn das doch der Fall ist und man aber kurz davor ist, auszuticken, weil man nicht mehr kann, dann ist es besser, wenn jemand in diesem Moment kurz einspringen und für das Baby da sein kann.
Wenn ihr allein seid, dann ist es in meinen Augen immer noch die bessere Variante, das Baby für einen KURZEN MOMENT (Ich rede nicht von Stunden oder auch „nur“ einer Viertelstunde schreien lassen!) sicher im Raum zurückzulassen, als es anzuschreien, zu schütteln oder noch schlimmeres…
Von 180 wieder runterkommen
Wenn ihr im Nebenzimmer seid, könnt ihr euch dann sammeln. Was mir dann hilft, mich schnell zu beruhigen? Entweder hole ich mir einen Snack, trinke kaltes Wasser, kaue einen Kaugummi usw. Weitere Techniken findet ihr etwas weiter unten. Vielleicht beruhigt es euch ja auch. Oder ihr habt bereits eine Methode, mit der ihr nicht mehr auf 180 seid. Drogen sind keine Option!
Was auch hilfreich war: werdet euch bewusst, dass euer Baby euch liebt, dass es euch braucht, dass ihr über manchen Dingen drüber stehen müsst. Ruft euch glückliche Momente ins Gedächtnis, um euch zu beruhigen. Manchmal hilft es auch, einfach mal zu weinen und den ganzen Stress rauszulassen.
Bis 10 zählen
Es braucht enorm viel Disziplin, den Moment, in dem man unendlich gern schreien würde, vorbeiziehen zu lassen und stattdessen bis 10 zu zählen. Und ich gebe zu, ich habe es manchmal nicht geschafft und etwas Dummes gesagt. Sobald es raus war, ging es mir zwar anfangs besser, aber es hat nachträglich absolut nichts gebracht. Um mich von meinem darauf folgenden schlechten Gewissen befreien zu können, entschuldigte ich mich dann schnell.
Vielleicht fällt es leichter, auch hier den Raum zu verlassen und bis 10 zu zählen. Ich zumindest habe bessere Alternativen für mich entdeckt, als bis 10 zählen zu müssen. Aber eventuell ist diese Methode genau das Richtige für euch.
Atemtechnik
Bei dieser Atemtechnik atmet man 3 Sekunden ein, hält die Luft für 3 Sekunden an und atmet anschließend 3 Sekunden lang aus. Das macht man so lange, bis man das Gefühl hat, sich wieder unter Kontrolle zu haben.
Auch diese Methode erfordert viel Übung, harte Disziplin und funktioniert bei mir auch nicht immer. Probiert es aus. Vielleicht hilft es euch.
Schlagen, beißen, treten, schreien
Es ist so unbefriedigend, die angestaute Wut einfach nur wegzuatmen, finde ich. Man will seiner Wut Ausdruck verleihen und auf etwas einprügeln oder etwas anschreien. Ja, warum eigentlich nicht? Aber bitte nicht euer Kind oder sonst jemanden. Holt euch ein Kissen, eine Decke, einen Sandsack oder was auch immer, und prügelt drauf ein, bis ihr nicht mehr könnt. Hilft auf jeden Fall in Extremfällen, wenn keine Zeit für Meditation ist.
Verstehen lernen
In Momenten der Ruhe und Stille lohnt es sich dann, über das Vergangene nachzudenken. Lasst das Geschehene noch einmal Revue passieren. Was genau ist passiert, als ihr wütend wurdet und ausgeflippt seid? Könnte es vielleicht eine logische Erklärung für das Verhalten des anderen geben?
Nehmen wir ein Beispiel, das bei uns immer noch Thema Nummer 1 ist, wenn es ums Essen geht: der Kleine wirft das Essen auf den Boden.
Man könnte im 1. Moment denken, der Kleine will einen auf die Schippe nehmen. So eine Frechheit! Und er verzieht keine Mine dabei! Lässt ihn völlig kalt, wenn ich ihm lang und breit erkläre, warum man das Essen nicht auf den Boden wirft. Manchmal guckt er einen dann völlig unbeeindruckt an und lässt das Essen wieder fallen! Der will mich doch provozieren!! Und schon ist das Drama im vollen Gange.
Wenn ich abends im Bett lag, fing ich an zu überlegen. Wollte mich mein Kind wirklich ärgern? Ich versuchte mich in die Lage meines Kindes hineinzuversetzen. Vielleicht würde ich es dann verstehen.
Kann sein, dass er erst einmal begreifen muss, was Schwerkraft bedeutet. Was passiert, wenn man Dinge fallen lässt? Fallen sie immer? Wirklich immer? Oh, jetzt bückt sich jemand nach den Sachen, die auf dem Boden liegen. Passiert das auch immer?
Wer weiß, ob unser Sohn tatsächlich so denkt. Zumindest hat es mir geholfen, ihm nicht immer sofort Bösartigkeit zu unterstellen. Und man reagiert beim nächsten Mal auch etwas entspannter, wenn das Essen wieder auf dem Boden landet.
Es kann auch mehrere Gründe geben
Als wir merkten, dass unser Sohn uns schon sehr deutlich verstand, aber immer noch nicht hörte, wenn wir sagten, dass das Essen auf den Tisch gehört, mussten wir weiterdenken. Warum lässt er es fallen, obwohl er versteht, dass das falsch ist?
Und wir erkannten, dass es die einfachste Methode unseres Sohnes war, sich Freiraum zu schaffen. Sein Teller war zu voll oder er wollte die Erdbeere jetzt einfach nicht mehr essen. So nach dem Motto „Aus dem Auge, aus dem Sinn“. Also baten wir ihn, wenn wir merkten, dass er sich gleich eines Stücks entledigen wollte, es uns zu geben, damit wir es beiseite legen konnten.
Ab und zu landet hier und da mal doch noch etwas auf dem Boden, aber es half uns wie gesagt, verständnisvoller mit der Situation umzugehen.
Es kann also nicht schaden, in ruhigen Momenten zu analysieren und zu hinterfragen. Und wenn dann wieder solch eine Situation auftritt, wisst ihr, wie ihr besser reagieren könnt oder könnt zumindest das Verhalten verstehen und nachvollziehen.
Es ist zwar keine Methode, um seine momentane Wut unter Kontrolle zu bekommen, doch langfristig gesehen wirkt sie vorbeugend und hilft, in Zukunft angemessener zu reagieren.
Musik hören
Im Internet steht, man soll beruhigende Musik hören, Entspannungsmusik. Ich für meinen Teil habe mir eine Playlist zusammengestellt, in denen es um die Liebe zu einem Menschen geht. Mein absoluter Favorit ist und bleibt „You’ll Be In My Heart“ von Phil Collins. So werde ich immer wieder daran erinnert, wie sehr ich mein Kind eigentlich liebe und wie bescheuert es gerade ist, sauer zu sein. Es half mir ungemein. Es lockerte die Stimmung umgehend auf, ich konnte mir beim Singen Luft machen und meine Laune stieg wieder. Und nebenbei beruhigte sich mein Kind beim Klang meiner Stimme auch gleich mit.
Ihr könnt natürlich auch eure Lieblingslieder hören oder was auch immer. Heavy Metal würde ich jetzt nicht unbedingt empfehlen… Das lässt das Blut nur stärker kochen.
Spazieren gehen und frische Luft schnappen
Diese Methode war am Hilfreichsten, wenn ich total übermüdet und gereizt war und keine Möglichkeit bestand, ein Nickerchen zu machen. Ich habe mir dann ganz schnell meinen Sohn geschnappt, nur das Allernötigste eingepackt und bin mit ihm raus an die frische Luft. Egal, ob Sonne, Wind, Regen oder Schnee: es hilft enorm, fand ich. Der Kreislauf kommt langsam in Schwung, man wird wacher und klarer im Kopf .
Körperlich aktiv werden
Es ist ähnlich wie Spazieren gehen, doch manche müssen sich richtig auspowern, um ihre Wut abbauen zu können. Einige müssen joggen gehen, andere wiederum Fahrrad fahren oder schwimmen… Ich für meinen Teil fing an aufzuräumen. Geschirrspüler ausräumen, Staub saugen, Bad putzen, umherliegendes Spielzeug einräumen, Wäsche machen und und und – bei uns gibt es immer etwas zu tun.
Wenn ihr niemanden habt, der in diesem Moment auf euer Kind aufpassen kann und euer Kind euch braucht, dann tragt es doch einfach im Tragegurt mit euch herum. Es genießt eure Nähe, sieht euch dabei zu, was ihr macht, und ihr könnt euer Ding machen. Geht leider nicht, wenn man schwimmen gehen oder Extremsport betreiben will. Aber ihr findet bestimmt etwas, was ihr beide machen könnt.
Sollte euer Kind schon zu groß für einen Tragegurt sein: es auf der Hüfte zu halten geht sicher noch.
Mein Sohn hilft auch sehr gern beim Haushalt mit. Er stopft die Wäsche in die Waschmaschine, drückt die Knöpfe, wischt gern die Küchentheke, den Boden oder Tisch mit dem Schwamm, hängt die Wäsche auf (auch wenn dann alles auf einer Leine und übereinander hängt) usw. Vielleicht könnt ihr euer Kind auch beim Putzen mit einbinden. Versucht es einfach mal. Oder lasst euer Kind zugucken, was auch immer.
Ich hoffe, die eine oder andere Methode lässt sich auch bei euch anwenden und – was wohl wichtiger ist – funktioniert auch.
Wie gefallen euch die oben genannten Tipps? Habt ihr eventuell eine völlig andere, eure ganz persönliche Calm-down-Methode gefunden?
Schreibt’s in die Kommentare und lasst es mich wissen.
Heeey, gerade (Heavy) Metal lässt doch das Herz höher schlagen, statt das Blut zum Kochen zu bringen – es sei denn, man mag diese Musikrichtung nicht 😉 trifft dann nämlich auf alle Richtungen zu 🙂
Ganz toll geschrieben, gerade das „in den Kleinen hineinversetzen“ wende ich unbewusst an und man versteht den Spatz auf einmal besser (eine schöne Vorstellung „Hmm, bückt sich jedes Mal jemand danach?!“ :D) und wird achtsamer.
Bin auf diese Seite wegen deinem „ohne Schnuller“ Beitrag gestoßen und es bestärkt, weiter zu machen und den anderen klar zu machen, dass sie sich was eigenes einfallen lassen dürfen um Zwergi zu beruhigen. (Und beruhigt, dass andere gewisse Dinge ähnlich sehen).
Es wird wohl ein schwieriger Weg in der Öffentlichkeit (zu Hause oder bei Gleichgesinnten/Verdtändnisvollen/“desinteressierten“ Freunden ist das weniger ein Problem) u er ist gerade erst 3 Monate…
Vielen Dank 🙂